System zur Echtzeitüberwachung der Luftqualität
Die Erfindung betrifft ein System zur Echtzeitüberwachung der Luftqualität nach dem Oberbegriff des ersten Patentanspruchs. Insbesondere werden mit dem System Luftschadstoffe erfasst.
Die Erfindung betrifft insbesondere den Bereich der Umwelt- und Gesundheitsüberwachung, insbesondere Systeme und Verfahren zur Erfassung, Analyse und Bewertung von Luftschadstoffen in Echtzeit. Ferner betrifft die Erfindung die Integration und technische Aufbereitung von Daten aus verschiedenen Quellen sowie deren Nutzung zur Anomalieerkennung, Frühwarnung und sektorübergreifenden Verarbeitung in technischen Systemen.
Dies erfolgt
unter Einbeziehung mobiler, stationärer und externer Datenquellen sowie zur Anomalieerkennung und sektorübergreifenden Nutzung.
Aus dem Stand der Technik sind verschiedene Systeme zur Erfassung und Auswertung von Luftqualitätsparametern bekannt, insbesondere im Fahrzeugbereich oder zur punktuellen Umweltüberwachung.
Die
DE102022125784A1 (GM Global Technology) offenbart ein System zur fahrzeuggestützten Erfassung von Luftqualitäts- und Lärmdaten mit Übertragung an Kartierungssoftware. Eine Integration externer Datenquellen oder weiterführende Auswertungsprozesse sind nicht vorgesehen.
Die
DE102022101243A1 (Ford Global Technologies) beschreibt ein System zur Erfassung von Luftschadstoffen im Fahrzeuginneren mit darauf aufbauenden Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität innerhalb des Fahrgastraums.
Die
DE102020210013A1 (Volkswagen AG) betrifft ein Verfahren zur Schätzung von Luftverschmutzung basierend auf Fahrdaten, ohne direkte sensorische Messung und ohne Einbindung externer Umwelt- oder Wetterdaten.
Die
DE102020209860A1 (Siemens AG) offenbart ein mobiles Messfahrzeug zur temporären Erfassung von Umweltparametern. Das System ist auf punktuelle Messungen ausgelegt und nicht für eine kontinuierliche, netzwerkbasierte Überwachung vorgesehen.
Die
DE102020202827A1 (Robert Bosch GmbH) beschreibt ein Umweltmesssystem, das allgemeine Umgebungsparameter erfassen kann. Die Offenbarung legt jedoch keinen Fokus auf die technische Integration heterogener Datenquellen oder eine sektorübergreifende Weiterverarbeitung der Daten.
Darüber hinaus sind internationale Projekte bekannt, bei denen Luftqualitätsdaten durch mobile Sensorik erhoben werden. Beispielhaft ist das Projekt „Schnüffelrad“ in Belgien zu nennen, bei dem Fahrräder mit einfachen Feinstaubsensoren ausgestattet werden, um lokal Umweltdaten zu erfassen. Auch das Projekt „Breathe London“ nutzt mobile Messungen auf Taxiflotten. Ebenso setzt Google im „Street View Air Quality Project“ sensorbestückte Fahrzeuge zur Datensammlung ein. In allen Fällen handelt es sich um Visualisierungs- oder Citizen-Science-Initiativen, ohne automatische Weiterverarbeitung oder Reaktionslogik.
Gemeinsam ist diesen Projekten, dass sie zwar Umweltdaten mobil erfassen, jedoch keine technische Infrastruktur zur Echtzeit-Datenfusion mit externen Quellen, automatisierten Anomalieerkennung, Reaktionsmechanismen oder sektorübergreifender Systemintegration aufweisen.
Die bekannten Lösungen weisen insbesondere die folgenden technischen Einschränkungen auf:
1. Begrenzte Systemarchitektur:
Die Systeme sind meist als Einzelgeräte oder fahrzeugintegrierte Komponenten ausgelegt, ohne übergreifende Infrastruktur zur Datensynchronisation und -vernetzung.
2. Fehlende Datenfusion heterogener Quellen:
Eine technische Integration von Messdaten mit externen Umwelt- oder Wetterdatenquellen, etwa meteorologischen Diensten oder Satelliteninformationen, ist nicht vorgesehen.
3. Eingeschränkte Zielrichtung:
Die vorhandenen Systeme sind typischerweise auf Kartenbasierte Visualisierungen, Innenraumschutz oder punktuelle Messung ausgelegt, nicht jedoch auf systemweite Echtzeitüberwachung oder Frühwarnung.
4. Keine sektorübergreifende Weiterverwendung:
Die Daten werden nicht aufbereitet oder bereitgestellt für medizinische, versicherungstechnische oder lebensqualitätsbezogene Anwendungen wie z. B. Sport- oder Smart-Home-Systeme.
5. Fehlende Anbindung an Steuerungssysteme:
Eine technische Integration zur automatisierten Steuerung externer Infrastruktureinrichtungen, etwa im Verkehrs- oder Gebäudebereich, ist in den bekannten Lösungen nicht realisiert.
6. Kein modularer oder skalierbarer Systemansatz:
Die bekannten Systeme sind nicht auf einfache Nachrüstbarkeit oder netzwerkweite Skalierung ausgelegt, was eine flächendeckende Datenerhebung verhindert.
Es ist die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein technisch integriertes System zur Verfügung zu stellen, das eine flächendeckende, hochauflösende, echtzeitfähige Erfassung, Auswertung und Nutzung von Luftschadstoffdaten ermöglicht und dabei technisch verwertbare Informationen für nachgelagerte Systeme bereitstellt.
Die Aufgabe wird durch ein System mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Vorteilhafte Ausführungsformen ergeben sich aus den abhängigen Ansprüchen und der nachfolgenden Beschreibung.
Das System umfasst nachrüstbare mobile Sensoreinheiten, die insbesondere an Fahrzeugen angebracht werden können, stationäre Messeinheiten an festen Standorten sowie eine Integrationsplattform zur Fusion von Umweltdaten mit externen Datenquellen, insbesondere meteorologischen Informationen und satellitengestützten Umweltdaten. Die Plattform ist ausgebildet zur Detektion von Anomalien mittels Schwellenwertvergleich und/oder maschinellen Lernverfahrens, zur Generierung von Frühwarnmeldungen für Behörden und Infrastrukturanbieter sowie zur automatisierten Anforderung weiterführender Analysen bei Überschreitung vorgegebener Schwellenwerte. Darüber hinaus sind die verarbeiteten Luftqualitätsdaten für medizinische, versicherungsbezogene, infrastrukturelle und gesundheitsbezogene Anwendungen vorgesehen.
Die Erfindung wird nachfolgend an einem Ausführungsbeispiel und zugehöriger Zeichnung näher erläutert.
Figur 1 zeigt das Schema eines Systems 100.
Das System (100) zur Echtzeitüberwachung der Luftqualität umfasst insbesondere:
· mindestens eine mobile Sensoreinheit (110), bevorzugt in Form modularer, nachrüstbarer Sensorboxen (111), angebracht an Fahrzeugen zur flächendeckenden Erhebung von Luftqualitätsparametern;
· mindestens eine stationäre Sensoreinheit (120) zur Referenzdatenerhebung an festen Standorten, z. B. in urbanen Bereichen oder an Industrieanlagen;
· eine Integrationsplattform (130) zur Datenfusion mit externen Datenquellen (140), umfassend mindestens meteorologische Daten (z. B. Windrichtung, Temperatur) und/oder satellitengestützte Umweltdaten (z. B. Luftschadstoffmessungen aus Copernicus-Diensten);
· eine Komponente zur automatisierten Anomalieerkennung (150) mittels Schwellenwertvergleich und/oder maschinellem Lernen;
· eine Funktion zur Generierung von Alarmsignalen (160) bei detektierten Auffälligkeiten;
· eine Komponente zur Bereitstellung der technisch verarbeiteten Luftqualitätsdaten (170) mit zugeordneten Zeit- und Ortsstempeln über Schnittstellen an externe technische Anwendungen (180).
Bevorzugte Anwendungen umfassen:
· automatische Initiierung von Laboranalysen (190) bei Grenzwertüberschreitungen,
· KI-gestützte Mustererkennung (200) zur kontinuierlichen Systemoptimierung,
· Erkennung und Meldung von gefährlichen chemischen, biologischen oder radiologischen Substanzen (210),
· Ausgabe von Steuerungssignalen (220) an Infrastruktureinrichtungen (230), z. B. Ampeln oder Belüftungssysteme,
· technische Aufbereitung der Daten für sportbezogene Anwendungen (240) mit Schnittstellen via API (250),
· Nutzung strukturierter technischer Daten in medizinischen Systemen (260), z. B. zur Symptomanalyse,
· Apotheken (270) zur Bedarfsprognose von Medikamenten (280),
· Versicherungen (290) zur technisch basierten Risikobewertung (291) und präventiven Maßnahmenplanung (292),
· Integration in Smart-Home-Systeme (300) oder Wearables (310) mit Empfehlungen (320) an Endnutzer.
Wie in Fig. 1 dargestellt, zeigt ein schematisches Prozessbeispiel des erfindungsgemäßen Systems (100) zur Echtzeitüberwachung der Luftqualität.
Eine mobile Sensoreinheit (110), insbesondere in Form einer modularen Sensorbox (111), erfasst orts- und zeitbezogene Umweltdaten, insbesondere Luftschadstoffkonzentrationen. Die erfassten Messdaten werden an eine zentrale Integrationsplattform (130) übermittelt.
In der Integrationsplattform (130) erfolgt eine technische Vorverarbeitung und eine automatisierte Anomalieerkennung (150). Diese kann auf statischen Schwellenwerten oder auf dynamisch erlernten Entscheidungsregeln basieren. Zur kontinuierlichen Verbesserung der Erkennungsleistung kann dabei eine KI-Komponente eingesetzt werden, die unter Verwendung von maschinellem Lernen (200) die Mustererkennung auf Basis historischer und aktueller Daten verbessert.
Im Rahmen der Analyse werden auch potenziell gefährliche chemische, biologische oder radiologische Substanzen durch eine Detektionseinheit (210) identifiziert. Bei entsprechenden Verdachtsmomenten kann eine automatische Auslösung weiterführender Laboranalysen (190) erfolgen, etwa durch Ansteuerung externer Laborprotokolle oder Probenentnahmesysteme.
Die in der Plattform (130) erzeugten verarbeiteten Luftqualitätsdaten (170), einschließlich Metadaten wie Geoposition und Zeitstempel, sowie gegebenenfalls ein generiertes Alarmsignal (160), werden über eine Programmierschnittstelle (250) externen technischen Systemen bereitgestellt.
Ein Beispiel für eine solche angebundene Anwendung ist eine Infrastruktureinrichtung (230), beispielsweise ein kommunales Verkehrsleitsystem. Dort erfolgt eine systemspezifische Risikobewertung (291) unter Verwendung der bereitgestellten technischen Daten.
Basierend auf dieser Bewertung kann eine Empfehlung (320) oder eine automatisierte Maßnahme ausgegeben werden. In einem bevorzugten Ausführungsbeispiel betrifft diese Maßnahme eine optimierte Steuerung von Lichtsignalanlagen (z. B. Ampelschaltungen), um Verkehrsflüsse in Abhängigkeit von der Luftqualität zu beeinflussen und lokale Emissionspeaks in Echtzeit zu reduzieren.
In einer bevorzugten Ausführungsform umfasst das System (100) zur Echtzeitüberwachung der Luftqualität mindestens eine mobile Sensoreinheit (110), die entweder fest an einem Fahrzeug angebracht ist oder als nachrüstbare Komponente ausgeführt ist. Zusätzlich ist mindestens eine stationäre Sensoreinheit (120) vorgesehen, die an einem festen Standort zur kontinuierlichen Umweltdatenerfassung installiert ist.
Weiterhin umfasst das System eine Integrationsplattform (130), welche ausgebildet ist zur Datenfusion der von den mobilen und stationären Einheiten erfassten Sensordaten mit externen Datenquellen (140), wobei die externen Datenquellen mindestens meteorologische Informationen (z. B. Windrichtung, Temperatur) und/oder satellitengestützte Umweltdaten beinhalten.
Die Integrationsplattform (130) ist darüber hinaus ausgebildet zur automatisierten Anomalieerkennung (150), wobei die Erkennung auf einem Schwellenwertvergleich und/oder auf Verfahren des maschinellen Lernens basieren kann.
Bei Feststellung einer Auffälligkeit generiert das System ein entsprechendes Alarmsignal (160), das über geeignete Kommunikationsschnittstellen an externe technische Anwendungen (180) übermittelt wird.
Ferner bereitet die Plattform die Luftqualitätsdaten (170) technisch auf und stellt sie unter Angabe von Zeit- und Ortsstempeln für nachgelagerte Systeme bereit.
Bezugszeichenliste
100
Gesamtsystem zur Luftqualitätsüberwachung
110
Mobile Sensoreinheit
111
Modulare Sensorbox
120
Stationäre Sensoreinheit
130
Integrationsplattform
140
Externe Datenquelle
150
Anomalieerkennung
160
Alarmsignal
170
Verarbeitete Luftqualitätsdaten
180
Externe technische Anwendung
190
Weiterführende Laboranalyse
200
Maschinelles Lernen
210
Gefahrstoffdetektion
220
Steuerungssignal
230
Infrastruktureinrichtung
240
Sportanwendung
250
Programmierschnittstelle (API)
260
Medizinische Anwendung
270
Apotheke
280
Medikamentenprognose
290
Versicherungsunternehmen
291
Risikobewertung
292
Präventionsplanung
300
Smart-Home-System
310
Wearable
320
Empfehlung an Nutzer
Patentansprüche
1. System (100) zur Echtzeitüberwachung der Luftqualität, umfassend:
· mindestens eine mobile Sensoreinheit (110), ausgebildet an einem Fahrzeug oder zur Nachrüstung an einem Fahrzeug;
· mindestens eine stationäre Sensoreinheit (120) an einem festen Standort;
· eine Integrationsplattform (130),
o ausgebildet zur Datenfusion der erfassten Sensordaten mit externen Datenquellen (140), umfassend mindestens meteorologische Daten und/oder satellitengestützte Umweltdaten,
o zur automatisierten Anomalieerkennung (150) mittels Schwellenwertvergleich und/oder maschinellem Lernen,
o zur Generierung von Alarmsignalen (160),
o zur Bereitstellung der verarbeiteten Luftqualitätsdaten (170) mit Zeit- und Ortsbezug über Schnittstellen an externe technische Anwendungen (180).
2. System nach Anspruch 1, wobei die Integrationsplattform (130) bei Schwellenwertüberschreitung die Durchführung weiterführender Laboranalysen (190) initiiert.
3. System nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei maschinelles Lernen (200) zur Erkennung von Mustern oder unbekannten Anomalien eingesetzt wird.
4. System nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die mobilen Sensoreinheiten (110) als austauschbare, modulare Sensorboxen (111) ausgeführt sind.
5. System nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei radiologische, chemische oder biologische Agentien (210) erkannt und entsprechende Frühwarnungen (160) ausgelöst werden.
6. System nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Integrationsplattform (130) automatische Steuerungssignale (220) an Infrastruktureinrichtungen (230) ausgibt.
7. System nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Plattform (130) die Luftqualitätsdaten für sportbezogene Anwendungen (240) aufbereitet und über eine Programmierschnittstelle (250) externen Systemen bereitstellt.8. System nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Daten (170) zur Unterstützung medizinischer Anwendungen (260), insbesondere zur Symptomanalyse und Ressourcenplanung, genutzt werden.
9. System nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei Apotheken (270) die bereitgestellten Daten (170) zur Bedarfsprognose für Medikamente (280) verwenden.
10. System nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei Versicherungsunternehmen (290) die Daten zur Risikobewertung (291) und Präventionsplanung (292) verwenden.
11. System nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Integrationsplattform (130) mit Smart-Home-Systemen (300) oder tragbaren Geräten (310) kommuniziert, um Warnungen (160) oder Empfehlungen (320) an Endnutzer bereitzustellen.
Zusammenfassung
Die Erfindung betrifft ein System (100) zur Echtzeitüberwachung der Luftqualität, umfassend:
· mindestens eine mobile Sensoreinheit (110), ausgebildet an einem Fahrzeug oder zur Nachrüstung an einem Fahrzeug;
· mindestens eine stationäre Sensoreinheit (120) an einem festen Standort;
· eine Integrationsplattform (130),
o ausgebildet zur Datenfusion der erfassten Sensordaten mit externen Datenquellen (140), umfassend mindestens meteorologische Daten und/oder satellitengestützte Umweltdaten,
o zur automatisierten Anomalieerkennung (150) mittels Schwellenwertvergleich und/oder maschinellem Lernen,
o zur Generierung von Alarmsignalen (160),
o zur Bereitstellung der verarbeiteten Luftqualitätsdaten (170) mit Zeit- und Ortsbezug über Schnittstellen an externe technische Anwendungen (180).